Siddharth Prakash

Um über die Vergabe des Bundespreises Ecodesign entscheiden zu können, greifen wir auf die Kompetenzen und Expertise ausgewiesener Fachleute zurück. Die Bewertung von u. a. Innovationsgehalt, Gestaltungsqualität und Umwelteigenschaften erfolgt in einem zweistufigen Verfahren, in dem zunächst ein Expert*innengremium entscheidet, welche Wettbewerbsbeiträge zur Jurysitzung zugelassen werden. Im Anschluss bestimmt die interdisziplinär besetzte Jury die Nominierten und Preisträger*innen in den Kategorien Produkt, Service, Konzept und Nachwuchs. Der Preis kann in jeder Kategorie mehrfach vergeben werden.

Siddharth Prakash ist Gruppenleiter für Zirkuläres Wirtschaften & Globale Wertschöpfungs-ketten am Öko-Institut e.V. in Freiburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich „Nachhaltiger Konsum und Produkte“ sowie „Ressourcen- und Abfallwirtschaft“. Im Jahr 2023 ist er zum ersten Mal Teil der Jury des Bundespreises Ecodesign.

Bitte erzählen Sie uns etwas über sich und Ihre Tätigkeit am Öko-Institut e.V. Was verleiht Ihnen in Ihrem Beruf Antrieb?

Unser Ressourcenverbrauch liegt auf einem sehr hohen Niveau. Der hohe Ressourcenverbrauch ist der Hauptgrund für die Dreifachkrise unserer Zeit - die Klimakrise, das Artensterben und die Umweltverschmutzung. Mich treibt die Frage um, wie die Materialien und Produkte möglichst lang in den Kreisläufen gehalten werden können und wie der Umbau unserer Gesellschaft weg von einem linearen Industriemodell hin zu einem zirkulären Wirtschaftssystem gestaltet werden kann. In meiner Funktion als Gruppenleiter für Zirkuläres Wirtschaften & Globale Wertschöpfungsketten versuche ich verschiedene Perspektiven, nämlich Politikinstrumente, Verbraucherakzeptanz, Produktdesign und Unternehmensverantwortung, im nationalen, europäischen und internationalen Kontext zusammenzuführen. Denn uns erwarten viele Ziel- und Interessenkonflikte auf dem Weg zu einer Circular Economy. Der Strukturwandel wird nur dann gelingen, wenn wir ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Vision im globalen Kontext im Bereich Circular Economy etablieren können.

Was hat Sie überzeugt, beim Bundespreis Ecodesign als Juror mitzuwirken?

Nachhaltige Produktangebote und Geschäftsmodelle brauchen politische Unterstützung, um wettbewerbs- und marktfähig zu werden. Das aktuelle Umfeld, in dem die Umwelt- und sozialen Kosten der Produkte und des Konsums zu einem großen Teil externalisiert werden, schafft kein „Level-Playing-Field“ für die zirkulären Produkte und Geschäftsmodelle. Über die Veränderung in den ökonomischen Rahmenbedingungen für die zirkuläre Produktgestaltung hinaus ist eine politisch unterstützte Kommunikation über nachhaltige und zukunftsorientierte Produktangebote sehr wichtig. Für innovative Unternehmen schafft eine solche Unterstützung Anreize und Perspektiven, sich weiter im Bereich „Nachhaltige Produkte“ zu engagieren. Der Bundespreis Ecodesign ist aus meiner Sicht genau die Plattform, die Unternehmen einer zirkulären Zukunft brauchen, um Anerkennung für ihre Innovationen und Anstrengungen zu bekommen.

Welche No-Gos gibt es für Sie bei der Bewertung der Projekte?

Scheinlösungen und ungeprüfte „Green Claims“ nur zu Marketingzwecken. Circular Economy und zirkuläre Geschäftsmodelle sind zurzeit en vogue und Modebegriffe. Es wird viel über die Zirkularität von Produkten und Geschäftsmodellen kommuniziert, ohne den tatsächlichen Umweltnutzen für die Gesellschaft wissenschaftlich und fachlich geprüft zu haben. Die Strategie der Materialsubstitution ist ein Paradebeispiel – in vielen Fällen findet durch die Substitution eines Materials nur eine Verschiebung der Umweltlast zwischen verschiedenen Umweltkategorien statt. Es braucht eine ganzheitliche, wissenschaftliche Lebenszyklusbetrachtung für die Beurteilung des Umweltnutzens eines Produktes.

Ein Blick in die Zukunft: Wenn Sie an ökologisches Design denken – wo, in welchen Bereichen oder Branchen, sehen Sie noch am meisten Entwicklungspotenzial?

Ganz im Sinne einer ganzheitlichen Circular Economy sehe ich das größte Potenzial bei den Lösungen, die zur Verlangsamung und Verringerung der Ressourcenströme beitragen, in anderen Worten bei Produktangeboten und Geschäftsmodellen, die insgesamt zum geringeren Konsum führen. Wir brauchen langlebige, reparaturfreundliche und wiederverwendbare Produktdesigns als Norm und nicht nur als Nische.